Am 31.05.2016 fand die Tagung des Gunda-Werner-Instituts “Gegner*innenaufklärung – Informationen und Analysen zu Anti-Feminismus” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden mehrere Tagungsberichte von Stipendiat_innen der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst. Eine PDF dieses Berichts findet sich hier. Der Input Dr. Ricarda Drüekes findet sich als PDF hier.
Das Panel „Digitale Öffentlichkeiten: Anti-Feminismus im Internet“ wurde mit einem ca. 30- minütigen Inputvortrag von Dr. Ricarda Drüeke von der Universität Salzburg (Fachbereich Kommunikationswissenschaft) eröffnet. Sie betonte zunächst, dass der Online- und Offline-Anti-Feminismus miteinander verstrickt sind, es also keine klare Trennlinie zwischen beidem geben kann. Dann stellte sie das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit vor, das auch auf digitale Öffentlichkeiten übertragen werden kann. Es geht davon aus, dass es eine „einfache“ Öffentlichkeit (für Alltagskommunikation u.ä.) gibt, eine mittlere Öffentlichkeit (stärker reguliert, dient dem Zusammenhalt und der Bündelung von Gruppen) und eine komplexe Öffentlichkeit (größter gesellschaftlicher Einfluss).
Von anti-feministischen Aktuer_innen werden alle drei Öffentlichkeitsebenen im Internet stark genutzt.
Zunächst nannte Dr. Ricarda Drüeke institutionalisierte anti-feministische Kommunikationsräume wie Partei-Websites oder Blogs von Abgeordneten. Bei dieser Form der komplexen Öffentlichkeit findet die Kommunikation nur einseitig statt, dafür ist sie jedoch professionalisiert und hat eine große Reichweite. Der vorherrschende Diskurs in diesen Kommunikationsräumen ist die Ablehnung von Gender-Mainstreaming und den Gender Studies.
Auch Interessengruppen und „soziale“ Bewegungen bieten Kommunikationsräume im Internet an. Ihre Funktion ist die interne und externe Vernetzung und Mobilisierung. Die Interaktion mit den Nutzer_innen ist teilweise möglich. Es finden sich Überschneidungen mit homophoben und rechtsextremen Themen und alles steht meistens in einem kampagnenorientierten Kontext. Beispiele für diese digitale Öffentlichkeit sind etwa WikiMANNia oder Demo für alle. Der vorherrschende Diskurs ist hier ein männerzentrierter Opfermythos, alles ist pseudowissenschaftlich und stark vereinfacht.
Bei mediengesteuerten und -initiierten Angeboten wird häufig die Kommentarfunktion genutzt, es werden aber auch redaktionelle anti-feministische Beiträge veröffentlicht. Das kann auf einschlägigen Websites der Fall sein, verstärkt findet dieses Phänomen jedoch zudem in den sogenannten Qualitätsmedien eine Plattform. Ebenso werden bei Online-Buchhändler_innen Rezensionen über Bücher verfasst oder Nutzer_innen bewertet. Die Kommunikation ist teilweise professionell, teilweise nicht. Die Interaktion mit den Nutzer_innen ist möglich; vorherrschende Diskurse sind die Beleidigung von Autor_innen und Kommentator_innen sowie die Ablehnung der Gender Studies als absurd.
Dann gibt es noch Kommunikationsräume für Alltagsöffentlichkeit wie etwa Foren, Blogs, Twitter und Facebook. Sie stellen eine Form der einfachen Öffentlichkeit dar. Ihre Funktion ist vor allem die Stärkung eines „Wir-Gefühls“. Hier ist die Interaktion von und mit Nutzer_innen uneingeschränkt möglich und es findet eine rege Vernetzung statt. Zu finden sind stark abwertende Kommentierungen von feministischen Artikeln und Veranstaltungen, Angriffe auf Personen sowie Aktionen zum Unterlaufen von feministischen Hashtags. Der vorherrschende Diskurs ist Hatespeech und die Reproduktion von Gewalt im Allgemeinen.
Als Fazit hielt Dr. Ricarda Drüeke am Ende ihres Vortrags fest, dass es im Internet verschiedene Nuancen von Männer- oder Familienzentriertem Anti-Feminismus gibt. Websites dienen Anti-Feminist_innen als ideologische Basis, häufig findet eine Vermischung mit rassistischen, homophoben oder rechtsextremen Positionen statt. Netzdiskussionen können von Anti-Feminist_innen dominiert werden, wenn es eine Gruppe gibt die besonders aktiv ist. In Folge dessen kommt es zu einem Rückzug von Feminist_innen aus dem Internet sowie zu einer stärkeren Verletzbarkeit selbiger. Die Moderation von Onlinemedien wird notwendig, um für die Löschung von Kommentaren zu sorgen.
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum moderierte Francesca Schmidt vom Gunda-Werner-Institut. Gegenstand der Diskussion war hauptsächlich die Entwicklung konkreter Strategien im Umgang mit Anti-Feminismus im Internet.
Einigkeit bestand dahingehend, dass feministische Theorien dringend einer Komplexitätsreduktion bedürfen. Es sollte die feministische Argumentation gezielt dahingehend trainiert werden, denn häufig wird von Feminist_innen bei Gegenargumenten zu weit ausgeholt und zu kompliziert erklärt. So stellt die feministische Sprache schon für an sich Interessierte und wohlwollend Gestimmte eine oftmals unüberwindbare Hürde dar. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es auch wünschenswert, niedrigschwelligere feministische Angebote im Internet zu starten.
Ein weiterer strategischerVorschlag ging dahin, sich als Feminist_in mehr in digitalen Medien zu bewegen. Das Internet kann beispielsweise genutzt werden um Artikel zu kommentieren, Bücher zu rezensieren oder selber Artikel zu veröffentlichen. Was die bessere Möglichkeit ist, wurde kontrovers diskutiert. Einerseits ist es wichtig, Anti-Feminist_innen etwas entgegenzusetzen und feministische Autor_innen mit positiven Kommentaren zu bestärken sowie sich solidarisch zu zeigen. Andererseits kann es sehr frustrierend und verletzend sein, sich in den direkten Austausch mit Verfasser_innen anti-feministischer Kommentare zu begeben. So kann es möglicherweise besser sein, selbst Texte zu verfassen. Als Lösung kam auch die Bildung von Kommentar- Kollektiven auf - so müssen einzelne Person sich nicht allein an Hasskommentaren „abarbeiten“. Auch automatisierte Antworten auf Posts in denen bestimmte Stichworte genannt werden, wurden erwähnt. Dies ist allerdings aufgrund des programmiererischen Aufwands sicherlich keine breitentaugliche Lösung.
Angesichts der momentanen Situation erscheint es, als hätten die Anti-Feminist_innen den Netzkampf gewonnen; zumindest dominieren sie das Internet stark. Es wäre wünschenswert, dass Feminist_innen ein digitale Vernetzung genau so gut gelingt. Dafür müssten zunächst ältere, nicht netzfeministisch aktive Feminist_innen, das Internet als Öffentlichkeit anerkennen und beginnen zu nutzen. Das Internet ist heute für sehr viele Menschen die primäre Informationsquelle. Wenn die ersten Suchergebnisse immer die von Anti-Feminist_innen sind, ist das ungünstig. Netzkämpfe sollten ernstgenommen werden, denn sie sind in der heutigen Zeit zentral.
Auch Suchmaschinenoptimierung oder das gezielte Hinauftreiben von Klickzahlen können gute Gegenstrategien sein. Letztlich sollte jedoch auch die juristische Ebene nicht völlig außer Acht gelassen werden. Das Demokratiepotential des Internets darf selbstverständlich nicht beschnitten werden, aber in bestimmten Fällen (wie etwa Aufrufen zur Vergewaltigung) ist eine Anzeige bei der Polizei doch indiziert.